Weinraute - Ruta graveolens

Familie: Rautengewächse - Rutaceae

Kategorie: Heilpflanze  Gewürzpflanze  Garten  mediterrane Pflanze  

Weinraute Info

graveolens: stark duftend, stinkend

Als Universalheilmittel sagte man der Weinraute nach, gegen alle Gifte, gegen Geister und Teufel und vor dem Bösen Blick zu schützen. Damit sich die Pflanze gut entwickelte und heilkräftig sei, sollte der Samen unter Flüchen und Verwünschungen ausgestreut werden; Jungpflänzchen hingegen hatte man zu stehlen.

In Italien wehrte das einfache Volk mit Rautenzweigen den bösen Blick ab. Auch tauchte man sie in Weihwasser und besprengte damit Schlafzimmer, in denen böse Geister die Liebesbeziehungen eines Ehepaares gestört hatten. Der Weinraute schrieb man auch zu, dass sie helfe, die Keuschheit zu bewahren oder sie zu schützen.

Im Schweizer Simmental wurde Weinraute gemeinsam mit Birnbrot oder Hutzelbrot, Salz und Eichenkohlen in ein Tuch gepackt, alles in ein Loch in der Türschwelle gelegt und dieses Loch mit einem Rechenzahn verstopft. Mit dieser Abfütterung versöhnte man alle Geister und Hexen, die als Gewürm im Schwellenholz hausen mussten.

Im persischen Kulturkreis werden die Rautensamen als glückbringendes Räucherwerk bei festlichen Anlässen verwendet.


Vegetative Merkmale

Die Weinraute ist ein Halbstrauch mit am Grunde schwach verholzenden unteren Zweigen, der Wuchshöhen von bis zu 1 Meter erreicht. Die fein geteilten Laubblätter fallen durch ihre spatelförmigen Blättchen und ihre blaugrüne Farbe auf, die auf „Bereifung“ mit einer Wachsschicht beruht.

Generative Merkmale

Die Blütezeit reicht von Juni bis August oder November. Der reichblütige, trugdoldige Blütenstand ist ein rispiges Pleiochasium. Die fast geruchlosen Blüten sind zwittrig. Die seitlichen Blüten sind vierzählig und die endständigen fünfzählig. Die Blütenkrone ist mattgelb bis gelb. Die bei einem Durchmesser von etwa 1 Zentimeter kugelförmigen Kapselfrüchte sind vier- bis fünffächrig.

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 72 oder 81.
Ökologie

Alle Pflanzenteile besitzen zahlreiche Öldrüsen, die ätherische Öle enthalten und den sehr intensiven Geruch der Pflanze hervorrufen. Die etwas derben Laubblätter schmecken leicht bitter, im durchscheinenden Licht kann man ihre Öldrüsen gut erkennen.

Blütenökologisch handelt es sich bei den streng vormännlichen Blüten um „Nektar führende Scheibenblumen“. Der Nektar ist offen zugänglich, er hat einen Zuckergehalt von 55 % und wird von einem gut sichtbaren Diskus abgeschieden. Die Weinraute ist eine Pollenblume, deren Staubblätter auffällige autonome Bewegungen ausführen, sie nehmen der Reihe nach eine Stellung ein, wo sich später die Narben befinden, das soll offenbar ihre Schaufunktion unterstützen. Bestäuber sind vor allem Zweiflügler und Hautflügler. Auch spontane Selbstbestäubung ist möglich.


Standort

Die Weinraute gedeiht am besten auf trockenen, lockeren steinigen, stickstoffsalz- und kalkreichen Lehmboden. Sie besiedelt Gariguen, Felsband- und ähnliche Pflanzengesellschaften an trockenheißen Standorten. Sie besiedelt in Mitteleuropa sommerwarme und im Winter frostgeschützte Lagen.

Verbreitung/Vorkommen

Das natürliche Verbreitungsgebiet der Weinraute ist Südeuropa, der östliche Mittelmeerraum, die Balkanhalbinsel und die Krim. In Mitteleuropa ist sie meist nur unbeständig verwildert im Weinbaugebiet; im südlichen Schwäbischen Jura ist sie örtlich wohl eingebürgert; am Alpenfuß ist sie beständig eingebürgert, und sie war dort wohl auch ursprünglich vorhanden.

Heimat

Mittelmeergebiet, Balkanhalbinsel bis zur Krim

Verwendung in der Küche

Die Laubblätter der Weinraute finden in der Herstellung von Grappa und ähnlichen Schnäpsen Verwendung, außerdem ist die Weinraute Hauptbestandteil des sogenannten Vierräuberessigs. Die Blätter der Weinraute kann man als Charaktergewürz der antiken römischen Küche ansehen. Für ein überliefertes Rezept siehe Moretum (Kräuterkäse). Die Blätter haben einen intensiven Geschmack, weswegen man sparsam damit umgehen muss. Die Würze wird zu verschiedenen Fleischgerichten (Wild, Hammel), zu Eiern, Fisch und Streichkäse, Salat, Soße, Gebäck und Kräuterbutter empfohlen. In Äthiopien werden auch die Weinrautenfrüchte getrocknet und als Gewürz verwendet. Wegen der abortiven Wirkung der Weinraute sollten Schwangere das Gewürz meiden.

Inhaltsstoffe

Weinrautenblätter enthalten ein ätherisches Öl mit dem Hauptbestandteil 2-Undecanon (Methylnonylketon), einem aliphatischen Keton, das den Geruch dominiert und deshalb auch Rautenketon genannt wird. Nebenbestandteile sind 2-Nonanon, 2-Decanon, 1,8-Cineol, Limonen und verschiedene Ester (2-Nonylacetat, 2-Undecylacetat, auch Propionate und Isobutyrate).

An der Blattoberfläche lagert die Weinraute verschiedene Furanocumarine vom Psoralentyp ab, die je nach Art und Dosis photosensibilisierende Eigenschaften besitzen. Diese können in Zusammenhang mit Sonnenlicht (UVA-Strahlung) nach Berührung zu einer Photodermatitis führen, die sich durch Rötung der Haut und Bläschenbildung mit anschließender bräunlicher Pigmentierung äußert. Typische Furocumarine der Ruta graveolens sind Bergapten, Isoimperatorin, Psoralen und Xanthotoxin.

Weiter enthält die Weinraute Alkaloide verschiedener Typen, beispielsweise Chinolinalkaloide (Chinolin-Typ: Graveolinin, Graveolin; Furochinolin-Typ: Skimmianin, Dictamnin, ?-Fagarin; Acridon-Typ: Arborinin; Dihydrofuroacridin-Typ: Rutacridon) und Chinazolin-Alkaloide (Arborin). Die Alkaloide werden vorwiegend in der Wurzel, aber auch in den Blättern gespeichert. Einigen dieser Stoffklassen wurde beträchtliche Giftwirkung nachgewiesen; so sind die Acridon-Alkaloide mutagen.

Verwendung in der Pflanzenheilkunde

In der heutigen Pflanzenheilkunde außerhalb der Volksheilkunde findet die Weinraute keine Verwendung mehr. Die Pflanze ist phototoxisch, das heißt, sie kann Hautreizungen bei gleichzeitiger Berührung und Sonneneinstrahlung hervorrufen (vergleiche Herkulesstaude). Sie sollte außerdem nicht von schwangeren Frauen verwendet werden, da sie zu Fehlgeburten führen kann.

Die Weinraute war jedoch sowohl im Altertum als auch im Mittelalter eine hochgeschätzte Heilpflanze, deren Bedeutung in der wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Medizinliteratur mehrfach belegbar ist. Sie sollte bei Augenleiden helfen, ebenso bei Ohrenschmerzen und bei Wurmbefall. Sie stand außerdem in dem Ruf, ein wirksames Gegenmittel gegen Gift zu sein. Ihren Ruf als hervorragendes Heilmittel erlangte die Raute im 17. Jahrhundert zur Zeit der großen Pestepidemien. Sie war in dem berühmten Essig der vier Räuber enthalten, mit dem sich vier französische Diebe eingerieben hatten, bevor sie in Toulouse die Häuser von Pestkranken ausraubten, ohne sich anzustecken. Dieser Essig enthielt auch Salbei, Thymian, Lavendel, Rosmarin und Knoblauch – die Wirkung beruhte daher wohl nicht auf dem starken Rautengeruch, wie man damals annahm, sondern auf der keimtötenden Wirkung der anderen Pflanzenarten.

Bekannt ist die Weinraute auch wegen ihrer abortiven Wirkung. In einigen Regionen Frankreichs trägt sie deshalb auch den Namen „herbe à la belle fille“ – Kraut der schönen Mädchen. Angeblich mussten im Botanischen Garten von Paris vor Jahrzehnten die Rautenpflanzen mit einem Gitter umgeben werden, weil junge Frauen die Bestände plünderten.

Verwendung in Homöopathie/Anthroposophie

Kommission C* (s. Quellen):... Harmonisierung des Zusammenwirkens von Empfindungs- und Lebensorganisation, z.B. bei Schmerzzuständen nach Prellungen und Quetschungen; entzündliche Erkrankungen von Gelenken und Sehnen, Neuralgien; Sehschwäche.

Sonstige Verwendung

Aufgrund der ätherischen Öle findet die Weinraute in der Parfümindustrie Verwendung. Hält man die Laubblätter gegen das Licht, erkennt man durchscheinende, nadelstichartige „Löcher“ (da ist kein Loch, es ist nur durchscheinend) – die mit ätherischem Öl gefüllten Drüsen. Weinraute, in Küche oder Speisekammer aufgehängt, soll Ameisen fernhalten.

Weinraute Steckbrief

Blütenfarbe: gelb;
Höhe/Länge von 30cm bis 50cm
Blütezeit von Juni bis August
Blattstellung: mittlere Stängelblätter wechselständig
Blattspreite: geteilt
Blattrand: ganzrandig;
Lebensdauer: Holzgewächs;
Lichtbedarf: Licht;
Wasserbedarf: gering
Nährstoffbedarf: nährstoffreich;
Bodenart: kalkhaltiger / kalkreicher Boden; lehmiger Boden / Lehmboden; steiniger Boden / Kies / Grus;
Bodenfeuchte: trocken;

Weinraute Garten / Anbau

Ausaat von 8 bis 12
Saatort: Direktsaat
Lichtanspruch: Licht;
Boden Beschaffenheit: kalkhaltiger / kalkreicher Boden; lehmiger Boden / Lehmboden; steiniger Boden / Kies / Grus;
Boden Feuchte: trocken;
Boden Nährstoffgehalt: nährstoffreich;
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Literatur

Bildquellenverzeichnis


Schütze diese Pflanze besonders!

ACHTUNG: Nicht pflücken, sammeln oder zertreten!
Diese Pflanze ist evtl. geschützt und steht auf der Roten Liste Schweiz! Kategorie VU (Verletzlich)





 

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