Gewöhnliches Hirtentäschel - Capsella bursa-pastoris

Familie: Kreuzblütler - Brassicaceae

Kategorie: Heilpflanze  Wildgemüse  Pionierpflanze  Frühblüher  Alpenpflanze  

Gewöhnliches Hirtentäschel Info

Capsella: Deminutiv zu lat. capsula = Kapsel (Fruchtform); "Hir­ten­tä­schel­kraut"
bursa-pastoris: Tasche des Hirten (Fruchtform)

andere Namen: Taschenkraut, Schneiderbeutel, Schinkenkraut, Säcklichrut, Löffeli, Herzkraut und Bauernsenf

Das Gewöhnliche Hirtentäschel blüht das ganze Jahr.

Das Gewöhnliche Hirtentäschel ist eine ein- bis zweijährige krautige Pflanze. Sie wird 10 bis 50 cm hoch, wurzelt aber bis zu 90 cm tief. Die Grundblätter sind rosettig angeordnet, schmal, länglich und gezähnt bis fiederspaltig, selten ganzrandig. Die einfache oder verzweigte und aufrechte Sprossachse trägt im oberen Teil eine Traube von zahlreichen Blüten, die später zu gestielten, abstehenden, herzförmigen bis dreieckigen Schötchen werden. Die Blütenkronblätter sind 2 bis 3 mm lang und weiß. Die Schötchen enthalten in jedem Fach bis zu zwölf Samen.

Blütezeit ist bei günstigen Bedingungen fast das ganze Jahr. Fruchtreife ist von April bis Dezember.

Die Chromosomenzahl der Art ist 2n = 32.


Standort

Diese Art kommt in ganz Europa vor und ist in Mitteleuropa sehr häufig. Als Standorte werden Ruderalstellen, Äcker und Gärten bevorzugt. Die Pflanze ist stickstoff- und lichtliebend und gedeiht auf nährstoffreichen Böden. Das Hirtentäschelkraut kommt bis in die subalpine Höhenstufe vor. In den Allgäuer Alpen steigt sie im Tiroler Teil am Fuß des Hochwieslers nahe dem Gimpelhaus bis zu 1820 m Meereshöhe auf.

Ökologie

Das Gewöhnliche Hirtentäschel ist eine sehr anpassungsfähige Pflanze. Sie wächst entweder sommer- bis winterannuell einjährig oder als zweijährige Halbrosettenpflanze.

Die Blüten besitzen keine Blühperiodizität, die Pflanze kann deshalb bei günstiger Witterung das ganze Jahr über blühen. Sie bildet unscheinbare homogame bis vorweibliche „Nektar führende Scheibenblumen“. Meist findet spontane Selbstbestäubung statt; daneben kommen Schwebfliegen und kleinere Bienen als Bestäuber vor.

Die Früchte sind vielsamige, zur Reife beide Fruchtklappen abwerfende Schötchen. Die Art ist eines der hartnäckigsten Wildkräuter. Pro Jahr sind bis zu vier Generationen möglich. Eine Pflanze produziert bis zu 64.000 Samen.

Es findet Selbstausbreitung statt, außerdem Ausbreitung als Wind- und Regenballist. In letzterem Fall lassen auf das Schötchen aufschlagende Regentropfen den Fruchtstiel zurückschnellen und schleudern so die Samen heraus. Die in der Nähe der Mutterpflanze auftreffenden Samen werden durch Regenwürmer in den Boden eingearbeitet, wo sie lange keimfähig bleiben. Auch Ausbreitung durch den Menschen und Zufallsausbreitung kommen vor. Samen wurden z.B. im Dung von Rindern und Möwen gefunden. Die klebrigen Samen werden außerdem als Klebhafter z. B. an Reifen, Schuhen und Hufen fortgetragen, was der Fernausbreitung dient. Auch Bearbeitungsausbreitung durch Körner fressende Kleinvögel ist möglich.

Im Schleim der Samenschale wurden Eiweiß spaltende Enzyme nachgewiesen. Möglicherweise dienen sie zur Verdauung von sehr kleinen Tieren, damit deren Abbauprodukte als Zusatznahrung dienen können. In diesem Fall würde bei den Samen Karnivorie vorliegen. Die Samen sind sehr langlebig und können bis etwa 30 Jahre keimfähig bleiben. Dadurch verteilt sich die Keimung über einen sehr langen Zeitraum, was die Chance der Pflanze, sich zu etablieren, stark erhöht.

Verbreitung/Vorkommen

Heute ist die Art in den gemäßigten Klimazonen und auch in den tropisch-montanen Gebieten verbreitet; sie kam ursprünglich wohl nur im südlichen Europa und in Westasien vor. In Mitteleuropa ist sie eine Chenopodietea-Klassencharakterart.

Verwendung in der Küche

Die Blätter eignen sich mit ihrer Schärfe auch als Zutat wildpflanzenreicher Küche, beispielsweise in Salaten oder zu einem Kräuterdip.
Die Früchte und dünne Stengel schmecken frittiert angenehm nussig.

Inhaltsstoffe

Inhaltsstoffe sind: Aminosäuren und Proteine (ca. 32 %), Flavonoide (u. a. Kämpferol, Luteolin, Diosmetin, Quercetin, Rutin, Diosmin), Phenolcarbonsäuren, Kalium- und Kalziumsalze, Vitamin C, Cholin, Acetylcholin und terpenoide Verbindungen.

Verwendung in der Pflanzenheilkunde

Als Heildroge dient das Hirtentäschelkraut d. h. die getrockneten zur Blütezeit gesammelten oberirdischen Pflanzenteile (Bursae pastoris herba).

Die Droge wird innerlich angewandt zur symptomatischen Behandlung von Menorrhagie (unregelmäßige Zyklusblutungen) und Metrorrhagie (verlängerte Zyklusblutungen) und zur lokalen Behandlung bei Nasenbluten.

Äußerlich kommt die Droge zur Anwendung bei oberflächlichen, blutenden Hautverletzungen.

Verwendung in Homöopathie/Anthroposophie

Kommission C*(s. Quellen):... Strukturierung im Aufbaustoffwechsel bei
Blutungsneigung.

Sonstiges

Das Gewöhnliche Hirtentäschel ist ein günstiges Untersuchungsobjekt für Studien zur Embryonalentwicklung, einerseits wegen seiner durchsichtigen Samenschale, andererseits weil man in einem Blütenstand alle Entwicklungsphasen von der unbefruchteten Eizelle in der Knospe bis hin zu reifen Samen finden kann.

Geschichte

Die medizinische Verwendung des Gemeinen Hirtentäschels lässt sich erstmals sicher in der Volksmedizin des 15. Jh. nachweisen. Im Büchlein von den ausgebrannten Wässern wurde empfohlen, ein Destillat aus dem Kraut gegen Nasenbluten, gegen blutigen und wässrigen Durchfall, gegen zu starke Monatsblutung und zur Austreibung des Harnwegssteins einzunehmen. In einer Elsässer Handschrift aus der zweiten Hälfte des 15. Jh. wurde zur Behandlung des Nasenblutens empfohlen, eine Handvoll des Krautes vor die Nase zu halten. Der Straßburger Wundarzt Hieronymus Brunschwig schrieb in seinem Kleinen Destillierbuch: „… so man das krut mit der zugethonden handt haben ist vntz es erwarmet / do von das bl?tend der nasen von stunden an verstot vnd verstellt würt …“

In den Mainzer Kräuterbuchinkunabeln des 15. Jh., Herbarius moguntinus (1484), Gart der Gesundheit (1485) und Hortus sanitatis (1491) wurde das Gemeine Hirtentäschel zusammen mit dem Vogelknöterich behandelt und die überlieferten Indikationen beider Pflanzen wurden zusammengeworfen. Diese Sicht wurde von den deutschen Vätern der Botanik verworfen. Da sie bei Dioskurides keine dem Gemeinen Hirtentäschel entsprechende Pflanze finden konnten, so übernahmen sie ausschließlich die Angaben aus der Volksmedizin. Dazu Otto Brunfels 1532 in seinem deutschen Kräuterbuch:

„… Die newen / oder die letsten ärtzet / barbari genant / die geben dißem kraut vil nammen / als Bursa pastoris / Pera pastoris / Crispula Herba cancri. Sanguinaria / vnnd der gleichen andere meer / ist doch keiner / der es recht vff ein Capitel Dioscoridis mög deütten. So will ichs recht auch ein Seckel lasszen bleiben / bitz das mir der tag einest erfaren / wem er bey dem Dioscoride soll z? geschriben werden …“

1986 veröffentlichte die Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes eine (Positiv-)Monographie über Hirtentäschelkraut mit den Indikationen: leichte Menorrhagien und Metrorrhagien, Nasenbluten und oberflächliche blutende Hautverletzungen.

Gewöhnliches Hirtentäschel Steckbrief

Blütenfarbe: weiß;
Höhe/Länge von 5cm bis 60cm
Blütezeit von Januar bis Dezember
Lebensraum: (Fett-) Wiesen und Weiden; Äcker, Getreidefelder, Brachen; Gärten und Parks; gestörte Standorte: Schutt- und Kiesplätze, Wege, Straßenränder, Unkrautfluren, Stadt, Pflasterritzen, u.a.; Steinrasen, Steinschuttfluren; Ufer, Dämme;
Blütenstand: Traube
Blattstellung: mittlere Stängelblätter wechselständig
Blattspreite: geteilt
Blattrand: ganzrandig; gezähnt;
Trockenfrüchte: Schote
Häufigkeit: häufig
Lebensdauer: einjährig; zweijährig;
Zeigerpflanze: Nährstoff / Stickstoffzeiger;
Höhenstufen: Ebene / Tiefland (0-450m); Hochlage (1500-3000m); Mittellage (450-1500m);
Höhenstufe min: 0m
Höhenstufe max. in den Alpen: 2800m
Nährstoffbedarf: nährstoffreich;
Bodenart: +/- humoser Boden; lehmiger Boden / Lehmboden;

Gewöhnliches Hirtentäschel Garten / Anbau

Boden Beschaffenheit: +/- humoser Boden; lehmiger Boden / Lehmboden;
Boden Nährstoffgehalt: nährstoffreich;
Viscum-Entoxin® NFella-Entoxin®Spasmo-Entoxin®D.-B.-Entoxin® N

Literatur

Bildquellenverzeichnis





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